SXSW 2018: Einblick in digitale Zukunftsvisionen des Silicon Valley
Das South by South West Festival 2018 (kurz SXSW 2018) bringt Musik- und Filmfans mit interaktiven Medien aus aller Welt in Berührung. Die, seit 1987, jährlich in der texanischen Hauptstadt Austin stattfindende Veranstaltung verknüpft Fachausstellungen, Kongresse und Festivals. So wurden bereits 2017 über 420.000 Menschen auf die weltweit wichtigste Digitalkonferenz gelockt.
Unter den Besuchern befanden sich Visionäre wie Elon Musk. Themen, die auf den SXSW Konferenzen diskutiert werden, sind über alle Branchen hinweg relevant. Es kommen Start-Up-Gründer, Wissenschaftler, Designer, Politiker und Journalisten zusammen, um sich auszutauschen. Wir haben uns angeschaut, wie die Trendthemen Social Media, Designethik, Künstliche Intelligenz (KI), Generation Z und Block-Chain Technologie das kommende Jahr beeinflussen werden.
Künstliche Intelligenz in kritischer Betrachtung
Künstliche Intelligenzen (KI) werden auf dem SXSW einer eher kritischen Betrachtung unterzogen. Einerseits sieht man KI als Schlüsselkonzept für neue Geschäftsmodelle als auch Treiber von Corporate Transformation. So kann eine KI-orientierte Denkweise einem Unternehmen helfen, sich kulturell und strategisch weiterzuentwickeln, zu positionieren und die Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Allerdings werden auch Bedenken und Risiken bezüglich der Entwicklung dieser noch jungen Technologie immer offener benannt. So widmeten sich die Zukunftsforscher Amy Webb und Elon Musk in ihren Vorträgen vor allem den Gefahren von KI. Musk betonte, KI sei „gefährlicher als Atomwaffen“.
Vor einem Jahr bereits erklärte er, dass die rasante Geschwindigkeit, mit der KI-Systeme sich exponentiell selbst weiterentwickeln und eine unglaublich große Menge an Wissen ansammeln, angsteinflößend sei. Das Thema der Regulierung von solchen Arten des „Datensammels“ liegt zumindest in der Luft. Ob in Richtung eines Datenschutzgesetzes, wie es in Europa existiert, gehandelt wird, bleibt noch offen. Obwohl Musk gegen staatliche Eingrenzung technischer Entwicklungen ist, fordert er hier klare Gesetze und Regeln.
Von vielen Tech-Giganten wie Mark Zuckerberg wird er für diese Aussagen verurteilt. Trotzdem werden die Forderungen nach Regulierung auf dem SXSW früher oder später Folgen haben und die Entwicklung von Systemen mit künstlicher Intelligenz schwieriger gestalten.
FREUND ODER FEIND? Die VORTEILE künstlicher Intelligenzen
Doch auch Vorteile von KI werden auf dem SXSW sichtbar: Aussteller, wie Mercedes Benz, liefern die Erkenntnis, dass KI die Zukunft der Mobilität mitgestalten wird. Die Entwicklung in der Automobilbranche reicht von integrierter Sensorik, um zu jederzeit Informationen bspw. über Staus und Reifendruck abrufen zu können, bis hin zur Verbesserung des Fahrkomforts.
Autonomes Fahren werde bald nicht mehr nur ein Zukunftstraum sein. Durch die intelligenten Systeme wird es auch für Automotive-Händler leichter Location Based Services (LBS) zu betreiben und Wagen und Fahrer z.B. Informationen zum Standort der nächstliegenden Werkstatt oder Sonderangebote zukommen zu lassen.
Da künstliche Intelligenzen kein neuer Marketinghype sind, würden mögliche Regulierungen diesen Trend wohl stark beeinflussen. Deshalb muss die Marketingwelt gerade diese Entwicklung gespannt im Blick behalten. Überlegungen vom SXSW zu nutzerzentrierter Kommunikation und Interaktion zwischen Mensch/Maschine und Maschine/Mensch werden die kommenden Jahre beeinflussen.
Virtual oder Augmented? Hauptsache Reality!
Viele relevante Technologie-, Automobil- und Consumer-Marken präsentieren sich Jahr für Jahr auf dem SXSW. Von Dell, Sony, Intel, Mercedes Benz bis hin zu Google sind alle dabei. Ein Trend, welcher sich bei den jeweiligen Markenauftritten beobachten ließ: Virtual-Reality-Showcases. Mercedes Benz punktet so beim Auftritt auf dem SXSW mit einer extravaganten Experience für die Besucher, und Informationen bei der „Mercedes me Convention“.
Erweitertes Vorstellungsvermögen liegt 2018 im Trend. So auch die interessante Innovation von Bose: Eine Sonnenbrille für hörbar erweiterte Realität. Das erfolgreiche US-Unternehmen präsentierte auf dem SXSW den Prototypen der AR-Brille.
Während der Benutzer seine Umgebung betrachtet, teilen ihm die integrierten Lautsprecher gesprochene Informationen mit. Bose‘s AR-System verarbeitet Standortdaten, die vom Smartphone per Bluetooth direkt auf die Brille übertragen werden.
Der Nutzer steuert die Brille per Kopfbewegung oder Berührung des Brillengestells. Funktionen, wie das Führen von Telefonaten oder Kontakt mit Google Assistant hat Bose ganz selbstverständlich integriert. „Bose AR ist eine neue Art von AR“, sagte John Gordon, Vizepräsident der Consumer Electronics Division von Bose, „statt durch digitale Bilder ergänzt es die Umgebung durch Audio-Information, sodass der Betrachter sich auf die Welt um ihn herum fokussieren kann“.
Grundsatzdiskussion: Wie viel Ethik gehört in moderne Software?
Auf den Bühnen des SXSW wird eine der wichtigsten Diskussionen des Silicon Valley ausgetragen, welche auch in den nächsten Jahren von Bedeutung sein wird. Beschuldigungen, dass Global Player psychologische Verhaltensmuster ausnutzen, um eine Art „Sucht“ nach Likes und Kommentaren zu generieren, um so virtuelle Interaktionen auszulösen, häufen sich. Mehrere Panels beschäftigten sich daher mit den mutmaßlichen Schattenseiten von Technologie und sozialen Netzwerken.
Daher geht es auf der SXSW darum, auf welche Art und Weise Soziale Kanäle wie Facebook, Snapchat, Google, Instagram und YouTube ihrer Verantwortung, nach ethisch korrektem Softwaredesign, nachkommen werden und können. Tristan Harris, einer der bekanntesten Designethiker, schreibt den drei Unternehmen Facebook, Apple und Google zu, über die Aufmerksamkeit von Millionen von Menschen zu verfügen und fordert daher verantwortungsvolleres und ethisches Handeln von den globalen Giganten.
Elayne safir: Die Psychologie des menschlichen reptilienhirn
Interface Designerin und Choice Architect Elayne Safir erklärte bei einem Panel, dass die Plattformen einen dunklen Teil des menschlichen Gehirns, das sogenannte Reptilienhirn, ansprechen. Dieser Teil ist verantwortlich für das Suchtverhalten des Menschen. Likes oder Snapchat Streaks etwa zählen zu sogenannten dark patterns, also Teilen des Designs, die einzig und alleine darauf abzielen, Menschen zu einer Handlung zu bringen und Umsatz zu generieren.
Infolgedessen wird ein Umdenken in der Technikbranche gefordert. Von dem Ziel, Nutzer möglichst lange und oft auf die Plattform zu locken, rücken Unternehmer ab, indem die Qualität der Zeit als erstrebenswerter Hauptfaktor in den Fokus rückt. Sogar Mark Zuckerberg sprach bereits davon, Facebook zu „reparieren“. Mit dieser Aussage spielt der Unternehmer ebenfalls auf eine Entwicklung in Richtung „gut verbrachter Zeit“ an. Die Umsetzung dieses Trends in dem Bereich betrifft Milliarden an Social Media Usern, die täglich auf die Sozialen Netzwerke zugreifen.
Auf einen Wandel muss sich folglich auch die Marketingwelt vorbereiten. Wie dieser genau aussehen wird, ist noch unklar. Allerdings erwähnte Zuckerberg, dass „gut verbrachte Zeit“ auf sozialen Plattformen vor allem darin besteht, mit Freunden zu interagieren. Bedeutet das für Unternehmen, dass sie in Zukunft eine weiter sinkende Reichweite auf Facebook zu erwarten haben? Sollte der Fall eintreten, wird es zukünftig schwer für Unternehmen, Werbung ähnlich gezielt an Personen auszuspielen.
Hände weg vom Screen! Sprachassistenten lösen Smartphones ab
Die US-Datenfirma Dscout ermittelte, dass der Mensch im Durschnitt 2.617 Mal pro Tag das Smartphone in die Hand nimmt. Doch die Smartphone Nutzung geht zurück. Die Zukunftsforscherin Amy Webb rief in Austin den „Anfang des Endes des Smartphones“ aus.
Sprachassistenten, wie sie in Autos schon integriert sind, werden zunehmend die Notwendigkeit eines Smartphones ablösen. Assistenzsysteme, wie Siri und Amazon Echo sind Vorreiter der Ära der Sprachsteuerung. Amazon wagt einen Testlauf mit dem ersten Smart Supermarket, sogenannte Wearables, so auch die Sonnenbrille von Bose, werden das Schlüsselkonzept des neuen Kommunikationsverhaltens in den nächsten Jahren, laut dem SXSW.
Das Silicon Valley steht ab sofort unter Beobachtung
Das SXSW gilt weltweit als „Standortbestimmung“ für zukünftige und futuristische digitale Trends. Wie man dieses Jahr sehen kann, werden sich die verschiedensten Branchen mit unterschiedlichsten Problemstellungen und Trendthemen auseinandersetzen müssen.
Einerseits gilt es in Sozialen Medien eine hohe Reichweite – trotz „psychologischer Reparaturen“ – zu erzielen. Vor allem in Richtung Content Marketing müssen sich Unternehmen nun verstärkt weiterentwickeln, um echtes Interesse, Kundenloyalität und -bindung zu erzielen.
Außerdem stellt sich die Frage, wie bald, ob und in welchem Umfang die Entwicklung künstlicher Intelligenz regulierbar ist. Obwohl es schon viele Marketinganwendungen mit künstlicher Intelligenz gibt, könnte durch ungünstiges Eingreifen der Politik der Trend sehr schnell wieder aus der Marketingwelt verschwinden.
Gleichzeitig wird es auch wichtig rechtzeitig auf die Trends Sprachassistenz, VR- und AR-Reality aufzuspringen. Das SXSW gilt als fortschrittlich und zukunftsweisend, wer vorne mit dabei sein will, sollte den Trends folgen.